Schlussrechnungsvorbehalt bei Zusatzauftrag

Es handelt sich um einen Dauerbrenner der Judikatur des Obersten Gerichtshofes: Der Schlussrechnungsvorbehalt gemäß Punkt 8.4.2. der ÖNORM B2110. Nach dieser Regelung wird die Geltendmachung nachträglicher Forderungen bei Annahme der Schlusszahlung ausgeschlossen, wenn nicht ein Vorbehalt in der Schlussrechnung oder binnen 3 Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird.

Zuletzt hat sich das Höchstgericht (8 Ob 20/23h) wieder mit dieser Bestimmung befasst und dabei konkretisiert, welche Leistungen vom Vorbehalt umfasst werden.

Im verfahrensgegenständlichen Fall wurde die Klägerin von der Beklagten mit Trockenbauarbeiten beauftragt. Dem Vertragsverhältnis lag unter anderem auch die ÖNORM B2110, die gängige Werkvertragsnorm in der österreichischen Bauwirtschaft, zu Grunde.

Noch vor Übernahme der Vertragsleistung der Klägerin stellte die Beklagte im Februar 2020 fest, dass der zu erbringende „gleitende Deckenanschluss“ nicht fachgerecht errichtet wurde. Die Beklagte forderte daraufhin die Klägerin umgehend auf, diese falsche Ausführung im Sinne einer Verbesserung ihrer Vertragsleistung zu beheben. Die Klägerin behauptete dagegen, die nunmehr geforderte Ausführung der Decke sei nicht Teil des Auftrages gewesen und bei der Sanierung handle es sich um eine zusätzliche Leistung.

Mit Schlussrechnung vom 24.04.2020 hat die Klägerin schlussendlich ihre Vertragsleistung in Rechnung gestellt, ohne einen entsprechenden Vorbehalt gemäß Punkt 8.4.2. ÖNORM B2110 darin aufzunehmen. Erst danach wurden die verfahrensgegenständlichen Sanierungsarbeiten ausgeführt. Mit Rechnung vom 10.06.2021 und somit mehr als ein Jahr nach Legung der Schlussrechnung forderte die Klägerin die Vergütung der erbrachten Sanierung ihres Gewerks.

Das Erstgericht kam zu der Einschätzung, dass der Auftrag zur Sanierung als Teil des ursprünglichen Werkvertrages zu betrachten sei, weshalb das Klagebegehren aufgrund des nicht vorhandenen Vorbehalts in der Schlussrechnung abgewiesen wurde. Zugleich stellte es allerdings fest, dass die Beauftragung zur Sanierung erst nach Schlussrechnungslegung erfolgte.

Das Berufungsgericht teilte diese Einschätzung, ließ jedoch eine ordentliche Revision mit der Begründung zu, es fehle eine Rechtsprechung des OGH zu der Frage, ob bei zunächst nur geforderten und erst nach Schlussrechnungslegung ausgeführten Sanierungsarbeiten ein Vorbehalt dahingehend schon in die Schlussrechnung aufzunehmen ist.

Das Höchstgericht gab der Revision der Klägerin schlussendlich Folge, da die Sanierungsarbeiten gesondert beauftragt wurden und daher nicht als Teil des ursprünglichen Auftragsverhältnisses angesehen werden können. Dies entspreche auch dem Wortlaut der Regelung 8.4.2. ÖNORM B2110. Demnach werde nur die Geltendmachung nachträglicher Forderungen für erbrachte Leistungen ausgeschlossen. Im gegenständlichen Fall handelte es sich nach den Feststellungen des Erstgerichts allerdings um Leistungen aufgrund eines später erteilten Auftrages, weshalb das Klagebegehren nach Ansicht des OGH zu Unrecht abgewiesen wurde.

Letztendlich wurde dem Klagebegehren daher stattgegeben.

Für Rückfragen stehen unsere Baurechtsrechtsexperten Mag. Bernhard Scharmüller und Mag. Dr. Mario Höller-Prantner gerne zur Verfügung.