In einer brandneuen Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof erstmals ausgesprochen, dass der leicht fahrlässig handelnde Mieter nicht von der Gebäudeversicherung des Vermieters, die den Schaden reguliert hat, in Anspruch genommen werden kann. Der OGH gelangte durch Auslegung des Versicherungsvertrages zum Schluss, dass die Versicherung auf einen Regress bei leichter Fahrlässigkeit konkludent (= unausgesprochen) verzichtet habe. Damit geht der Fachsenat für Versicherungsrecht von seiner jahrzehntelangen Rechtsprechung ab, die eine Haftung des Mieters bejahte. Was war passiert?
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Verfahren, an dem unsere Rechtsanwälte und Partner Mag. Dr. Mario Höller-Prantner und Mag. Dr. Michael Kraus, LL.B. beteiligt waren, ließ der beklagte Mieter von der Erstnebenintervenientin eine Einbauküche planen, liefern und einbauen. Zur Montage bediente sich die Erstnebenintervenientin eines Subunternehmens (Zweitnebenintervenientin). Aufgrund einer unsachgemäßen Montage durch den Mitarbeiter des Subunternehmens (Drittnebenintervenient) gelangten rund 3.000 l Leitungswasser in die Gebäudesubstanz.
Die Vermieterin hat mit der klagenden Versicherung eine Gebäudeversicherung abgeschlossen, welche auch Leitungswasserschäden umfasst. Die Prämien dieser Versicherung werden von den Mietern des Hauses, darunter auch der Beklagte, anteilig im Rahmen der Betriebskosten bezahlt. Der Schaden in Höhe von € 336.535,45 wurde der Vermieterin von der Klägerin im Rahmen des Versicherungsvertrags ersetzt. Im gegenständlichen Verfahren versuchte die Klägerin nunmehr sich am beklagten Mieter zu regressieren.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Der OGH setzte sich ausführlich mit der Frage auseinander, ob der Mieter (bzw. dessen Sachersatzinteresse) in die Gebäudeversicherung des Vermieters einbezogen ist. Dies sei dann der Fall, wenn der Versicherung erkennbar war, dass der Vermieter ein Interesse am Schutz des Mieters hat. Ein solches sei zu bejahen, weil der Vermieter Auseinandersetzungen mit dem Mieter meiden sowie die finanzielle Leistungsfähigkeit desselben erhalten möchte. Der Vermieter habe daher ein erkennbares und schützenswertes Interesse an einem Regressverzichts der Versicherung gegenüber seinen Mietern. Der OGH argumentierte weiters, dass ein Regressverzichts jedenfalls dann anzunehmen sei, wenn es sich – wie hier – um ein Dauerschuldverhältnis (hier: Mietvertrag) handelt und die Versicherungsprämie zumindest verdeckt auf den Haftpflichtigen (hier: Mieter) abgewälzt wird. Gegenständlich sei dem Versicherer die Interessenlage des Vermieters bei Abschluss des Versicherungsvertrages auch erkennbar gewesen, weil in der Versicherungspolizze ausdrücklich angeführt war, dass es sich um ein „Mietshaus“ handelt. Der OGH gelangte zum Schluss, dass die Versicherung schlüssig auf einen Regress bei leichter Fahrlässigkeit verzichtet habe. Folglich hatte die Versicherung keinen Anspruch gegenüber dem Mieter auf Ersatz des Schadens. Die Klage wurde rechtskräftig abgewiesen.
Bei Fragen zu versicherungsrechtlichen Angelegenheiten steht Ihnen unser Experte Mag. Dr. Michael Kraus, LL.B. gerne zur Verfügung.
Das „Rechtspanorama“ der Tageszeitung „Die Presse“ hat bereits über diese Entscheidung berichtet. Den Artikel, welcher auch eine Stellungnahme von Mag. Dr. Michael Kraus, LL.B. enthält, finden Sie hier:
Die Entscheidung 7 Ob 99/23v des OGH vom 27.09.2023 im Volltext finden Sie hier: