OGH hilft beschenktem Enkel und anderen Zuwendungsempfängern bei der Abwehr von Pflichtteilsansprüchen

Der Enkel eines Verstorbenen wurde in einem kürzlich vom OGH (2 Ob 100/23d) zu entscheidenden Pflichtteilsstreit von seiner Mutter, der Tochter des Verstorbenen, in Anspruch genommen. Grund dafür war die lebzeitige Schenkung des Verstorbenen an den Enkel, die bei Ermittlung des Pflichtteils der Klägerin zu berücksichtigen war und zu einem Anspruch der Klägerin gegen den Enkel auf Leistung ihres durch die Verlassenschaft nicht gedeckten Pflichtteils führte. Dass der Verstorbene zu Lebzeiten auch die Klägerin reichlich beschenkt hatte, hat die Klägerin außer Betracht gelassen, obwohl eine Berücksichtigung der Schenkung an die Klägerin deren Anspruch gegen den Enkel zum Erlöschen bringen würde.

Dem Wortlaut des § 783 ABGB nach kann der Enkel eine Miteinbeziehung der Schenkung an die Klägerin im Verfahren nicht einwenden, da er selbst weder Erbe oder Vermächtnisnehmer ist noch seine fehlende konkrete Pflichtteilsberechtigung auf einem Verzicht oder einer Ausschlagung beruht, sondern sich diese daraus ergibt, dass die Klägerin als die Abstammung vermittelnder Elternteil noch lebt. Von diesen Fällen abgesehen, sieht das Gesetz keine Berechtigung vor, die Berücksichtigung der an die Klägerin erfolgten Zuwendung zur Abwehr von deren Ansprüchen zu verlangen.

Über den Wortlaut des Gesetzes hinaus hat der OGH nunmehr ausgesprochen, dass sich das rechtliche Interesse eines abstrakt pflichtteilsberechtigten Geschenknehmers, der auf seinen Pflichtteil verzichtet oder das Erbrecht ausgeschlagen hat, nicht vom rechtlichen Interesse jedes anderen Geschenknehmers unterscheidet, der zur (teilweisen) Leistung des Pflichtteils in Anspruch genommen wird. Um zu vermeiden, dass der die Berücksichtigung einer Zuwendung verlangende Kläger einer Anrechnung der selbst erhaltenen Schenkung entgeht, aber dennoch eine Leistung von den übrigen Zuwendungsempfängern verlangen kann, ist § 783 ABGB nach Ansicht des OGH analog auf alle Beschenkten, die von einem konkret Pflichtteilsberechtigten in Anspruch genommen werden, anzuwenden.

Demnach kann einerseits der Enkel im gegenständlichen Fall die Berücksichtigung der Schenkung an die Klägerin verlangen und damit den gegen ihn erhobenen Anspruch abwehren. Andererseits können aufgrund dieser Entscheidung auch sonstige (in keinem Verwandtschaftsverhältnis mit dem Verstorbenen stehende) Geschenknehmer bei Inanspruchnahme durch einen konkret Pflichtteilsberechtigten aufgrund einer an sie erfolgten Zuwendung einwenden, dass sich der Pflichtteilsberechtigte eine an ihn erfolgte Schenkung selbst anrechnen lassen muss. Hat demnach zB eine alleinstehende Verstorbene zu Lebzeiten ihr Vermögen je zur Hälfte ihrem besten Freund und ihrer einzigen Tochter geschenkt und verlangt die Tochter nach dem Tod ihrer Mutter von deren Freund eine Pflichtteilszahlung, so kann der Freund den Anspruch mit der Einrede abwehren, dass der Pflichtteil der Tochter aufgrund der an sie erfolgten Schenkung bereits gedeckt ist.

Damit folgt der OGH nicht nur der herrschenden Ansicht in der Lehre, sondern spricht sich ausdrücklich für eine Gleichbehandlung sämtlicher Geschenknehmer im angeführten Zusammenhang aus und kommt damit den nicht im Gesetz ausdrücklich genannten Geschenknehmers enorm entgegen.