Fremdhändige letztwillige Verfügungen: OGH setzt – wieder einmal – strengen Maßstab

Wird ein fremdhändiges Testament aus mehreren (losen) Blättern errichtet, haben die Testamentszeugen sowie der letztwillig Verfügende auf dem Blatt oder den Blättern mit dem Text der letztwilligen Verfügung, also „auf der Urkunde selbst“ zu unterschreiben bzw ihre gesetzlich geforderten Zusätze iSd § 579 ABGB zu setzen. Es bedarf hierfür eines äußeren oder inneren Zusammenhangs zwischen den einzelnen Blättern.

In der Vergangenheit hat der OGH vermehrt die Formvorschriften zu fremdhändigen letztwilligen Verfügungen, insbesondere im Zusammenhang mit der äußeren Urkundeneinheit, konkretisiert. Dabei hat er teilweise eine strenge Beurteilung vorgenommen (wie zB zu OGH 2 Ob 51/20v: keine äußere Urkundeneinheit bei Verbindung mit nur einer Heftklammer; 2 Ob 218/19a: keine äußere Urkundeneinheit bei erst nach der außerhalb der Kanzlei des Notars stattgefundenen Unterfertigung des Testaments erfolgtem Binden der losen Blätter), teilweise aber auch Erleichterungen vorgesehen (wie zB zu OGH 2 Ob 25/22y: äußere Urkundeneinheit bei Verbindung mit 3 Heftklammern; 2 Ob 4/21h: äußere Urkundeneinheit, wenn unmittelbar nach dem Leisten der Unterschriften die Verbindung stattfindet, da von einem einheitlichen Testiervorgang auszugehen ist).

Für das Vorliegen innerer Urkundeneinheit bedarf es einer Bezugnahme inhaltlicher Natur zwischen den losen Blättern. Hierfür reicht weder die bloße Angabe von Ort und Datum (OGH 2 Ob 51/20v; 2 Ob 143/20y),  eine auf der zweiten Seite fortlaufende Absatznummerierung (OGH 2 Ob 82/22f) oder Seitenzahlen (OGH 2 Ob 218/19a), noch der handschriftliche Bekräftigungszusatz des letztwilligen Verfügenden auf der zweiten Seite (OGH 2 Ob 188/20s) aus, da es eines inhaltlichen Zusammenhanges bedarf. Bejaht wurde die innere Urkundeneinheit bislang bei Fortsetzung des Testamentstextes (OGH 2 Ob 143/19x; krit ua Ch. Rabl, Neue Rechtsprechung zur Form einer fremdhändigen letztwilligen Verfügung, die aus mehreren Blättern [Bögen] besteht, NZ 2020, 1 [5 f] und Tschugguel, Zur Urkundeneinheit des fremdhändigen Testaments, EF-Z 2020, 71 [71 f]) oder bei einem vom letztwillig Verfügenden unterfertigten Vermerk, der inhaltlich auf die letztwillige Anordnung Bezug nimmt (OGH 2 Ob 192/17z; 2 Ob 143/19x; 2 Ob 145/19s).

Nunmehr steht aufgrund der kürzlich ergangenen E des OGH zu 2 Ob 29/22m fest, dass die bloße Fortsetzung des Testamentstextes bei nicht handschriftlich verfassten fremdhändigen letztwilligen Verfügungen zur Herstellung innerer Urkundeneinheit nicht genügt, sondern die Annahme einer ausreichenden inneren Urkundeneinheit einen – vom letztwillig Verfügenden unterfertigten – Vermerk auf dem zusätzlichen Blatt mit Bezugnahme auf seine letztwillige Verfügung verlangt. So wurde in diesem Fall die innere Urkundeneinheit verneint, obwohl das letzte Wort im letzten Absatz auf der Rückseite des ersten Blattes mit der Fortsetzung des Textes auf der zweiten Seite durch einen Trennstrich verbunden war.

Das Höchstgericht begründete diese Verschärfung seiner bisherigen Rechtsprechung damit, dass eine bloße Textfortsetzung bei computergeschriebenen fremdhändigen Testamenten keine ausreichende Fälschungssicherheit biete und die Textfortsetzung nur eine vergleichsweise lose inhaltliche Verbindung schaffe, die in einem nicht sachgerechten Wertungswiderspruch zu den an die äußere Urkundeneinheit gestellten Anforderungen stehe. Zudem hänge bei Bejahung der inneren Urkundeneinheit aufgrund der Verbindung mit einem Trennstrich die Gültigkeit der Verfügung von der Zufälligkeit ab, ob das erste lose Blatt mit einem vollständigen (Ab)Satz abschließt oder sich ein Satz über die losen Blätter hinweg fortsetzt. Weiters habe das nicht näher konkretisierte Kriterium der Textfortsetzung in den bisherigen E noch nie die tragende Begründung für die Entscheidung über die Formgültigkeit dargestellt und werde dieses Kriterium in der Lehre teilweise ohnehin kritisch gesehen. Durch die nunmehr vertretene Rechtsansicht werde gewährleistet, dass der inhaltliche Zusammenhang zwischen den losen Blättern so eng ist, dass von einem „einheitlichen Schriftstück“ iSd E zu OGH 2 Ob 143/19x gesprochen werden könne.